Arbeit statt Sozialhilfe

Die «Motion Arbeitsintegration fördern — Fallzahlen vermindern. Neue Wege in der Sozialhilfe« von EVP Grossrat Philippe Messerli wird in der Novembersession des Grossen Rates behandelt. Schon im Vorfeld der Beratung gab das Anliegen des Motionärs zu Diskussionen Anlass, wie der nachfolgende Artikel des Journalisten Michael Ehrler im Bieler Tagblatt (29. Mai 2009) zeigt:

Arbeitseinsatz für Sozialhilfe

Wer Sozialhilfe erhält, soll er zuerst einen Monat lang arbeiten. Dies fordert EVP-Grossrat Philippe Messerli, um die Sozialhilfe zu entlasten. Die Linke ist skeptisch.

Integration ist das Spezialgebiet des Nidauer EVP-Grossrats Philippe Messerli. Nach den Migranten widmet er sich nun all jenen, die Mühe haben, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dazu schlägt er ein neuartiges Modell vor: Bevor jemand Sozialhilfe bekommt, soll er zu einem einmonatigen Arbeitseinsatz verpflichtet werden. Und zum Beispiel Abfall einsammeln, Elektroschrott sortieren oder mit Pensionären eines Altersheims Spaziergänge machen. «Arbeitsmöglichkeiten gibt es sicher genug», sagt Philippe Messerli. Während dieses Monats erhält die Person einen Minimallohn, der zum Leben ausreicht. Wer den Arbeitseinsatz verweigert, hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Es sei denn, die Person hat triftige Enschuldigungs-Gründe und muss beispielsweise Kinder betreuen, ist krank oder in Ausbildung.

Missbrauch verhindern

Es geht Messerli darum, die Personen möglichst rasch wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Am Anfang seien die Personen noch motiviert. Je länger sie von der Sozialhilfe abhängig seien, desto stärker werde die Resignation. Mit dem Arbeitseinsatz könne man auch sicherstellen, dass die Leute nicht aus dem Arbeitsrhythmus allen. Obschon die Betreuung dieser Personen Geld kostet, sei es eine längerfristige Investition. Gleichzeitig könnten jene Personen von der Sozialhilfe ferngehalten werden, die heimlich einer Erwerbsarbeit nachgehen oder eine Stelle in Aussicht haben. Messerli hat sich bei seiner Motion an einem Projekt der Stadt Winterthur orientiert. Innerhalb eines Jahres wurden 310 Personen aufgefordert, einen Arbeitseinsatz zu leisten. 256 davon sind zu ihrem Einsatz erschienen. Die übrigen kamen nicht und verzichteten damit freiwillig auf Sozialhilfe. Knapp die Hälfte der Personen fand innerhalb kurzer Zeit eine Stelle und musste keine Sozialhilfe beanspruchen. Eine Umfrage bei den Betroffenen ergab, dass eine Mehrheit den obligatorischen Arbeitseinsatz schätzte. Es sei eine«Win-win-Situation », ist Philippe Messerli überzeugt. Der Staat profitiere genauso wie die Betroffenen.

Viele nicht arbeitsfähig

Allerdings: Von allen Personen, die sich zum Sozialhilfebezug anmelden, sind nur gerade 20 Prozent arbeitsfähig. «Immerhin», sagt dazu Philippe Messerli. «Jeder, der nicht in die Sozialhilfe kommt, verursacht keine langfristigen Kosten.» Dass damit das Problem vollständig gelöst werden kann, damit rechnet auch Messerli nicht. Aber es sei ein Ansatz, den man prüfen sollte. Der Regierungsrat wird den Vorstoss im Verlauf der nächsten Wochen beantworten. Die grössten Grossratsfraktionen reagieren unterschiedlich auf den Vorschlag. SP-Fraktionspräsidentin Margreth Schär (Lyss) findet, die Motion schiesse über das Ziel hinaus, weil sie enorme Kosten verursachen würde. All das, was der Vorstoss verlange, könnte schon heute realisiert werden. Wollte man das Anliegen aber vollumfänglich erfüllen, bräuchte es mehr Arbeitsplätze, mehr Beschäftigungsprogramme und vor allem mehr Personal in den Sozialdiensten. Zudem zweifelt Schär, ob man ein Modell von einem anderen Kanton tel quel übernehmen könnte.

Offener zeigen sich die Bürgerlichen: «Das Projekt scheint mir tatsächlich etwas für sich zu haben », sagt der Fraktionspräsident der FDP, Adrian Haas (Bern). Allerdings dürfe man keine Wunder erwarten, sagt Haas. SVP-Fraktionspräsident Peter Brand (Münchenbuchsee) sagt, seine Partei unterstütze alles, was helfe, die Kosten zu senken und die Leute in den Arbeitsmarkt einzugliedern. «Vielleicht könnte das tatsächlich etwas bringen.» Zweifel hat er allerdings, ob sich tatsächlich genügend Arbeitsplätze finden lassen. FDP wie SVP können sich vorstellen, den Vorstoss zumindest als Postulat zu überweisen. Das Parlament wird den Vorstoss vermutlich im Herbst behandeln.

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