Werte, die Krisen überstehen

Votum von Grossrat Philippe Messerli an der Sondersession Wirtschaft
6. April 2009

«Die Wirtschaftslage beschäftigt uns alle und läst bei der Bevölkerung grosse Befürchtungen und zum Teil Existenzängste aus. Die Prognosen für die globale Wirtschaft werden immer düsterer. Die OECD rechnet weltweit mit einem Einbruch von 2,75 Prozent, verbunden mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit. Eine moderate Erholung ist bereits ab 2010 möglich, doch alles andere als sicher. Trotz dieser schlechten Aussichten ist es der EVP ein wichtiges Anliegen, dass wir hier nicht in Panikmache verfallen. Dies wäre ein schlechtes Signal nach aussen, denn die Konjunktur hat auch viel mit dem Vertrauen der Konsumenten und Investoren zu tun.

Der Kanton Bern hat einen zentralen Vorteil: Er ist dank seiner breiten Branchenstruktur krisenresistenter als andere Regionen. Auch etwas anderes ist für uns wesentlich: Nach dem Vorstosspaket der FDP mit den liberalen Lösungen und dem Ruf nach weniger Staat fordert nun die SP-JUSO auf der anderen Seite mit ihrer Vorstossflut ein stärkeres staatliches Eingreifen in die Wirtschaft. Die Wirtschaftskrise ist aber als Thema viel zu ernst, als dass daraus eine ideologische Debatte gemacht werden sollte. Weder der Markt noch der Staat sind heilig und allmächtig. Die Bevölkerung erwartet von der Politik echte Lösungen, keine ideologischen Grabenkämpfe und Profilierungsbestrebungen der Parteien.

Bei allem Engagement müssen wir uns aber gleichzeitig immer bewusst sein, dass es sich hier um eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise handelt. Welche Massnahmen wir auch immer beschliessen, der Kanton Bern ist und bleibt ein kleines Rädchen in der globalen Wirtschaftsstruktur. Ein Alleingang macht darum wenig Sinn. Allfällige Massnahmen sind mit dem Bund und den anderen Kantonen abzustimmen. Die Hauptfragen dieser Debatte sind: Was soll der Kanton konkret für die Überwindung bzw. für die Linderung der Krise unternehmen? Welche Massnahmen sind sinnvoll? Machen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft überhaupt Sinn? Guter Rat ist teuer.

Für die EVP ist es zuerst einmal wichtig, dass der Kanton die bereits geplanten Investitionen möglichst rasch und ohne Abstriche realisiert. Dies ist kurzfristig die beste und wirksamste Konjunkturmassnahme. Eine Neuverschuldung, sei es zur Finanzierung von Konjunkturprogrammen oder zur Realisierung von Begehrlichkeiten nach Steuersenkungen lehnen wir ganz entschieden ab. Wir dürfen keine weiteren Lasten auf die kommenden Generationen überwälzen, denn die Erfahrung zeigt, dass eine Schuldentilgung, auch bei einer Erholung der Konjunktur, praktisch nie umgesetzt wird. Lieber wird in wirtschaftlich guten Zeiten auf Steuersenkungen gesetzt. Die EVP unterstützt deshalb den Vorschlag der Regierung zur Schaffung eines Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen. Dieser schafft trotz Krisen und Schuldenbremse den nötigen Handlungsspielraum für weitere grössere Investitionen, und dies alles ohne Neuverschuldung.

Wir sind aber klar der Meinung, dass der Investitionsfonds nur eine vorübergehende Massnahme in der Krisenzeit bleiben soll. Im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik müssen die Überschüsse längerfristig wieder für den Schuldenabbau verwendet werden. Trotz der momentanen Krise dürfen wir jetzt die längerfristigen Perspektiven und Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren. Der Kanton soll und muss gerade auch in Krisenzeiten investieren, und zwar nicht primär in kurzfristige Konjunkturprogramme, die meistens zu spüt greifen oder zu unerwünschten Strukturerhaltungen führen, sondern in Projekte, die nachhaltig angelegt sind und längerfristig wirken. Die Schwerpunkte sind aus der Sicht der EVP unter anderem in den folgenden Bereichen zu setzen:

Unbedingt erforderlich sind zusätzliche Investitionen in die Bildung, unserem einzigen Rohstoff. Paradoxerweise wird heute aber mehr ins Sozial- statt ins Bildungswesen investiert. Das ist falsch. Neue Wege müssen deshalb gerade auch in der Sozialpolitik beschritten werden: Weg von der reinen Armutsbekämpfung hin zur Armutsprävention und zu Anreizsystemen, die das Arbeiten belohnen und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt fördern. Dringend sind aber auch weitere Massnahmen zur Stärkung der Familie, wie zum Beispiel zusätzliche Verbesserungen bei der Besteuerung von Familien. Es geht hier darum, den demografischen Herausforderungen wirksam zu begegnen und den Generationenvertrag zu sichern. Wichtig sind schliesslich auch Investitionen in eine nachhaltige Umwelt- und Energie-Politik.

Die Gefahr besteht aber nun generell darin, dass man sich bei der Krisenbewältigung rein auf materiell ausgerichtete Konjunktur- und Stabilisierungsmassnahmen beschränkt. Längerfristig geht es aber um mehr. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist auch eine Werte-Krise, deren Ursachen unter anderem auch auf Masslosigkeit, übertriebene Gewinnsucht und auf das Leben auf Pump zurückzuführen sind. Der Staat trägt mit seiner Schuldenwirtschaft eine Mitverantwortung und ist ein schlechtes Vorbild.

Für eine tiefgreifende Überwindung der Krise braucht es deshalb auch einen grundlegenden Wertewandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Gefragt sind verstärkt Werte wie Ehrlichkeit, Verantwortung, Gerechtigkeit und Selbstbeschränkung. Das Gewinnstreben muss wieder menschen- und umweltverträglicher werden. Es wäre allerdings zu einfach, mit dem Finger auf die Banker und Manager zu zeigen, denn Egoismus und Gier sind in jedem von uns angelegt. Wir alle sind deshalb aufgefordert, verantwortlich und im Dienste unserer Mitmenschen zu handeln. Das ist echte Krisenbewältigung.»

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